El Valle de Anton ist ein kleines verschlafenes Nest etwa 1,5 Stunden von Panama City entfernt. Touristen kommen hier gern her, um im Nebelwald zu wandern, den Wasserfall zu bestaunen oder Canopy Touren zu machen. Viel los ist sonst auch im gleichnamigen Städtchen nicht. Marie und Kathi, die mich spontan von San Blas aus eingepackt haben, haben ein Hostel etwas abseits der ausgetretenen Touripfade gebucht – mit einem Mietwagen ist man schließlich flexibel. Die Mamallena Eco Lodge war für uns die Heimat der Wahl für zwei Nächte mitten in der Regenzeit in Panama. Außer uns gab es keine Gäste, wir waren allein im Haupthaus mit Vlad, der guten Seele und Pancake-König des Hostels, und den drei Hunden. Klingt jetzt so, als wären die Tage ereignislos und langsam dahin geplätschert – nein! Wir haben es geschafft, den Abstecher in den Nebelwald zum Abenteuer zu machen.
Vlad vom Hostel hat uns eine kurze Strecke zum Hausberg empfohlen, um die Gegend zu entdecken und einen Blick über das Gebirge zu erhaschen. 30 Minuten seien das zu laufen, er schaffe es sogar in 10. An der Hängebrücke den Fluss überqueren, dann immer dem Weg entlang bis zum Haus von Antonio, dort vorbei bis zum Zauntor, hinter dem man sich rechts hält. Der Gipfel ist dann quasi schon in Sichtweise. Klingt gut. Auf geht’s. Drei Hunde starten mit uns den Marsch. Das Handy ist geladen, die von Vlad gezeichnete Karte fotografiert, Moskitoschutz ist aufgelegt und der Rucksack mit übertrieben vielen Snacks gefüllt.
Bis zu Antonios Haus schaffen wir es ohne Probleme und sogar mit trockenen Füßen. Wir passieren die Blechhütte unter den strengen Augen eines Dreijährigen (ist das Antonio?) und setzen unseren Marsch fort. Doch wo bleibt das Zauntor? Wir laufen und laufen und laufen und laufen – kein Tor. Vlads Karte hilft jetzt auch nicht mehr, auf welchen Gipfel wollen wir überhaupt? Hier sind so viele! Und ist das da eigentlich ein Pferd auf dem Berg?
Die Hunde wuseln um uns herum, wir folgen ihnen in der Hoffnung, sie wissen schon, wo’s langgeht. Nach zwei Stunden haben wir nicht nur einen der Hunde, sondern auch die Orientierung verloren. Dafür haben wir die Snacks quasi schon vernichtet. Wir rechnen nach, wie lange es bis zum Sonnenuntergang ist. Noch fünf Stunden. Ob wir das schaffen? Der erste Angstschweiß läuft uns den sowieso schon patschnassen Rücken hinunter, die Wangen glühen ein wenig stärker. Immerhin sind wir jetzt auf einem Gipfel. Irgendwo im Dschungel. Den Pfad dorthin könnten wir uns auch eingebildet haben.
Jetzt finden wir jede Menge Zauntore, quetschen uns auf gut Glück durch den Stacheldraht und sind immer wieder überrascht, was wir dahinter finden. Ein zwanzig Meter langes Feld voller Kuhmist ist dabei nur das Tüpfelchen auf dem i.
Umgeben von wunderschönster Flora und Fauna, zwischen Schmetterlingen und Lianen, setzen dann meine Survival-Instinkte ein. Die Survival-Instinkte, die ich mir einbilde, durch die Lektüre diverser Abenteuerromane antrainiert zu haben (zum Glück hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht „The Beach“ gelesen). Wir haben einen Fluss überquert, also müssten wir doch am Fluss entlang wieder zu der Stelle zurückkommen, oder? Ein Blick auf die Offline-Karte in meinem Handy sagt, die Richtung stimmt. Zwischen uns und dem Hostel liegt nur eben Mal Nebelwald, Dschungel und ein Fluss. Die Devise lautet jetzt: Ab durch die Mitte! Ich kremple die Ärmel meines Jeanshemds herunter und gehe voran durch stachelige Büsche, klebende Gräser und wadentiefe Matschpfützen. Schade, dass die Machete in meinen Händen nur Einbildung ist.
Mit der Rambo-Methode ist der Rückweg dann doch relativ einfach. Dem GPS hinterher durchs Unterholz schlagen – das kriegen wir hin. Die Hunde sind immer an unserer Seite, auch wenn sie die ständigen „a la casa“-Rufe unsererseits gekonnt ignorieren und gar nicht erst versuchen, uns den Weg zu zeigen. Sie haben uns wahrscheinlich schon aufgegeben. Die Blechhütte erkennen wir schlussendlich wieder. Der Dreijährige ist zwischenzeitlich zum ausgewachsenen Mann herangereift und will Wegegeld kassieren. Alles was wir anbieten können, sind Kekskrümel. Der Fluss erscheint uns jetzt nur noch das kleinstes Hindernis, schafft es aber, einen meiner Schuhe in ein saftiges Schlammbraun umzufärben. Egal – wir sind zurück in der Zivilisation! Und das Braun passt sowieso sehr gut zum roten Sonnenbrand unserer Gesichter und dem grünen Gestrüpp in unseren Haaren.
Im Hostel konnte Vlad kaum glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben, uns zu verlaufen. Vier Stunden waren wir unterwegs. Das sei Rekord. Negativrekord. Überhaupt hat sich noch niemand verlaufen auf der Strecke.
Am nächsten Morgen zeigt er uns um halb sechs den Weg, den wir eigentlich hätten nehmen sollen. Trotz noch reißenderem Fluss, stockfinsterer Nacht und Endgegnern in Spinnenform, die auf dem Weg lauern, schaffen wir es in 40 Minuten auf den Gipfel. Und werden mit einem wundervollen Sonnenaufgang und dem großartigen Gefühl von Freiheit belohnt. Den Rückweg schafft er dann übrigens in 7 Minuten.
5 Erkenntnisse aus unserem Dschungel-Abenteuer:
1. Umwege sind oft die schönste Art und Weise, die Umgebung kennenzulernen und aus Fehlern entstehen dann oft großartige Möglichkeiten.
2. Eine Offline-Karte (ich verwende maps.me) und GPS Signal können Gold wert sein.
3. Gute Schuhe sind auch bei vermeintlich kurzen Spaziergängen nicht verkehrt. Ebenso sollte man genug Wasser und Snacks einpacken.
4. Hunde sind einfach die treusten Begleiter – egal wie sehr man sich verläuft.
5. Sich zusammen verlaufen macht mehr Spaß als alleine.