Nach Bogotá lag gleich die zweite Großstadt in Kolumbien auf dem Reiseplan: Medellín. Die einstige Drogenhauptstadt versucht seit Jahren, den Ruf loszuwerden, den sie durch Pablo Escobars Drogenkartell erhalten hat. Vor allem in der Comuna 13 wurden über Jahre hinweg Kämpfe ausgefochten, Mord und Kriminalität war Normalität. Seit Jahren schon sinkt nun die Mordrate, Touristen kommen in die Stadt und durch den Bau von Rolltreppe und Seilbahn wurde das Viertel besser ans Zentrum angeschlossen. In der Theorie sollte das den Einwohnern helfen. Richtig geklappt hat das nur oberflächlich, die Probleme hören trotzdem nicht so recht auf. Außerdem spaltet Pablo Escobar die Bewohner Medellíns im Geiste: Er hat viele Bewunderer, aber ebenso viele Menschen sehen ihn als den Teufel, der die unzähligen Morde und Verbrechen in die Stadt gebracht hat. (Wer mehr darüber lesen möchte, kann sich diesen Artikel der NZZ oder diesen Artikel aus der taz durchlesen.)
Bei Touristen ist die Comuna 13 vor allem wegen der Freiluft-Rolltreppe und der Graffitis bekannt und beliebt. Es werden unterschiedliche Graffiti-Touren durchs Viertel angeboten, wir haben die Comuna 13 jedoch auf eigene Faust erkundet. Mit dem Bus ging es bis ins Viertel, dann zu Fuß bis zur Rolltreppe und mit der Rolltreppe die dicht bebauten Hügel hinauf. Quasi jede freie Wand auf dem Weg ist mit Graffitis besprüht, einen Künstler konnten wir auch live bei der Arbeit beobachten – und wider Erwarten fühlte er sich nicht wie im Zoo, sondern freute sich über die Zuschauer und die Fragen. Der Name, der am meisten unter den Graffitis auftaucht, ist chota13 (Instagram). Der Graffiti-Künstler sieht sich selbst als Botschafter seines Viertels und arbeitet traditionelle kolumbianische Motive mit in seine Kunstwerke ein, wie zum Beispiel den Kolibri, auf dessen Artenvielfalt im Land die Kolumbianer besonders stolz sind.
Beim Spaziergang durch die Comuna 13 merkt man, dass das Viertel Touristen anziehen soll: Freies WLAN, viele Sitzgelegenheit, kleine Museen und natürlich Shops links und rechts der Rollstreppen sollen die Bedürfnisse befriedigen und den Bewohnern ein bisschen Geld in die Taschen spülen. Viele Touristen sind jedoch (noch) nicht unterwegs, wahrscheinlich liegt es daran, dass uns die Bewohner besonders herzlich empfangen: Auf der Rolltreppe heißt uns ein älterer Herr herzlich willkommen in Kolumbien, eine Dame, die für die Aufsicht der Rolltreppe verantwortlich ist, macht begeistert Fotos von uns und für uns vor den Graffitis und für vier Kids auf dem Spielplatz ist es wohl das Highlight des Tages, als wir mit ihnen die Rutsche herunterrutschen. Von der Gewalt und Kriminalität, die noch vor Jahren in der Comuna 13 die Oberhand hatten, merken wir als Durchreise-Touris überhaupt nichts. Unsicher habe ich mich auch zu keinem Zeitpunkt gefühlt.
Der Nachmittag in der Comuna 13 war für mich ein Erlebnis, dass ich nicht missen möchte. Auch ohne Tour hat man sich sicher und willkommen gefühlt und über die Graffiti stolpert man sowieso automatisch – vor allem, wenn man sich ein bisschen durch die Straßen treiben lässt. Blenden lassen sollte man sich allerdings nicht von der fast schon perfekten Welt im Viertel.