Es ist schwer, in Worte zu fassen, was „Blauschmuck“ auslöst, die richtigen Worte dafür zu finden. Doch dieses Buch braucht Leser, deshalb schreibe ich hier die womöglich nicht ausreichenden Wörter über die Wörter, mit denen Debütautorin Katharina Winkler in „Blauschmuck“ der jungen Kurdin Filiz Ausdruck und Stimme verleiht. Gerade habe ich den Roman zugeklappt und schon jetzt weiß ich, dass mich dieses Buch so schnell nicht loslassen wird. Und dass ich dazu etwas schreiben muss, um meine Gedanken zu sammeln und um weiterzutragen, wie lesenswert dieser Roman ist.
Blauschmuck ist Filiz‘ Wort für die Prügelmale, für die blauen Flecken und Blutergüsse, für die Schmerzen und die Demütigung. Blauschmuck schmückt nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mutter und ihre Geschwister in der Türkei, später auch ihre Kinder. Blauschmuck ist der grausame Ausdruck für die rohe Gewalt, die mit diesem schönen Wort, dünnen Stoffen und viel Schweigen kaschiert wird. Der Blauschmuck zieht sich durch den gesamten Roman, der beginnt, als Filiz sich als Kind in Yunus verliebt, ihn nur wenig später gegen den Willen ihres Vaters heiratet und von da an ohne Familie dem Willen ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter, der schwarzen Spinne, ausgesetzt ist. Von dieser wird Filiz quasi seelisch misshandelt, von ihrem Mann geprügelt und vergewaltigt – Schläge und Stöße. Das hört auch beim Ortswechsel nach Österreich nicht auf, wohin Yusun Frau und Kind bringt, um dort zu leben und zu arbeiten – und um weiterhin seine Familie zu misshandeln.
Es ist schwer, die Grausamkeit zu begreifen, die zwischen den Zeilen klebt, die so real und so nah wirkt. Eigentlich müsste man zählen, auf wie vielen der knapp 200 Seiten entweder Stöße oder Schläge auf Filiz niedergehen, wie oft diese beiden Wörter im Roman vorkommen. Man möchte fluchen, schreien, ist gebannt, geschockt von der Gewalt, von dieser Beziehung, in der Filiz auch nach all den Stößen und Schlägen nach Liebe und Geborgenheit sucht.
Die Sprache, die Katharina Winkler Filiz in den Mund legt, zeugt von Zerbrechlichkeit, Verträumtheit. Sie ist poetisch und zart und doch einfach genug, um glaubhaft zu sein. Kindlich und naiv, wie Filiz. Mit vielen Bildern und Metaphern beschreibt sie eine grausame Wirklichkeit, die man kaum beschreiben kann.
„Ich decke mich mit Worten zu. Alles wird gut. Alles wird gut. Auch wenn ich mir nicht glaube. Alles wird gut.“
Es fällt mir schwer, die richtigen Adjektive für den Roman zu finden. Alle Superlative, auf die in Buchbesprechungen auf Blogs ja doch hin und wieder zurückgegriffen wird, wie großartig oder fabelhaft scheinen ob der Geschichte und dem wahren Schicksal doch ziemlich fehl am Platz. Lesenswert passt in jedem Fall, denn dieses Buch soll gelesen werden. Macht das mal!
„Blauschmuck“ von Katharina Winkler, erschienen 2016 im Suhrkamp Verlag