Es gibt Bücher, in die möchte man einfach nur hineinschlüpfen, die Atmosphäre aufsaugen und die Geschichte mit allen Sinnen genießen. Ein solches Buch ist „Bora. Eine Geschichte vom Wind“ von Ruth Cerha, erschienen bei der Frankfurter Verlagsanstalt.
„Bora. Eine Geschichte vom Wind“ erzählt von Mara, einer österreichischen Schriftstellerin, die ihre Sommer auf einer kleinen, namenlosen kroatischen Insel verbringt. Ihre Zeit dort ist genauso turbulent wie die Bora, ein kalter Fallwind, der laut den Inselbwohnern von Senj über Rijeka nach Triest zieht. Die Bora kommt und geht, umspielt die Insel und ist der rote Faden, der sich durch das Buch und durch den Sommer zieht.
Ebenso wie mit der Bora, die den Sommer über kommt und geht, verhält es sich mit Andrej, Sohn kroatischer Auswanderer. Es entspinnt sich eine zarte und doch turbulente Liebesgeschichte zwischen ihm und Mara, eine Sommerromanze par excellence. Doch eigentlich stehen weniger Mara und Andrej im Mittelpunkt des Romanes: Es ist vielmehr die Insel selbst, die Atmosphäre dort, die Geschichte und natürlich die Bora, die den Roman ausmachen und die Hauptrolle spielen statt nur Kulisse zu sein (worauf man allein schon beim Titel recht schnell kommen kann). Maras Zeit auf der Insel ist Mittel dazu, die Geschichte der Insel zu erzählen, von den Auswanderern im letzten Jahrhundert, von der Natur, den Traditionen und den Gepflogenheiten. Man versinkt förmlich in der Geschichte, will nicht mehr auftauchen, will mehr erfahren – letztendlich auch von Mara und Andrej und ihrer vielleicht großen Liebe.
Doch genau diese Tatsache, dass die Insel die Hauptperson ist, macht den Roman zu einem so unkitschigen, atmosphärischen und absolut empfehlenswerten Sommerroman. Die Sehnsucht nach dem Meer, der Ruhe und Ausgeglichenheit, dem Abschalten vom Alltag – all das findet man in „Bora“. Man kann sich herrlich von der U-Bahn oder der heimischen Couch auf diese kleine kroatische Insel träumen, mit Mara den Erzählungen der Einheimischen lauschen oder mit Andrej über die Insel streifen.
Zwischendurch habe ich die Insel, die Natur für ein paar Seiten vermisst – Mara und Andrej und ihr Versuch des Zusammenseins waren zeitweise doch übermächtig. Doch ganz schnell findet man sie wieder, ist versöhnt und möchte auch nach dem Zuklappen des Buches weiter schwelgen im Sommer auf der Insel und in der warmen Luft, die man beim Lesen fast schon selbst spüren kann – dank dem bildhaften, bezaubernden Schreibstil der Autorin.