Buchtipp zu Auster und Klinge von Lilian Loke

Buchtipp zu "Auster und Klinge"

Als ich den Klappentext von Lilian Lokes zweitem Roman „Auster und Klinge“ las, war ich zugegebenermaßen eher unsicher, ob mir die Handlung zusagen würde. Ein moralisch verwerflicher Deal zwischen kleinem Verbrecher und künstlerisch veranlagtem Unternehmenserbe – ob das rein inhaltlich gesehen was für mich ist? Das Cover ist aber in meinen Augen so grandios, dass ich dem Buch definitiv eine Chance geben wollte. (An dieser Stelle ein großes Lob und viel Applaus für den Verlag C.H.Beck für den Mut und die Grafiker von Geviert für das Design!) Mit der LovelyBooks Leserunde habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Meinen Buchtipp zu Auster und Klinge von Lilian Loke gibt es hier:

Buchtipp zu "Auster und Klinge"

Sprachliche und erzählerische Finesse

Sehr schnell war klar, dass meine Befürchtungen unbegründet waren: „Auster und Klinge“ hat mich bereits nach den ersten beiden Sätzen begeistert. In drei Tagen war der ganze Roman durchgelesen. Die sprachliche und erzählerische Finesse von Lilian Loke setzt sich bis zum Ende der Geschichte rund um Georg und Victor hin fort. Schnelle Wechsel zwischen aktueller Handlung, Erinnerung und Gedankengängen werden fließend und logisch miteinander verknüpft. Die Übergänge sind ebenso schnell und spielerisch, wie die Gedanken selbst, wenn sie anfangen zu wandern. Die Formulierungen sind intensiv und eindringlich, viele Aufzählungen lassen die Sätze ein wenig abgehakt, aber umso tiefer wirken. Ich mag das sehr!

Das Herz als Organ kommt motivisch übrigens immer wieder im Text vor, nicht nur auf der ersten Seite. Dass es doch realistisch und nicht stilisiert auf dem Cover abgebildet ist, macht sehr viel Sinn. Es zieht sich wie ein roter Faden durch den Text.

Victor und Georg

Die beiden Hauptpersonen sind so authentisch, durchdacht und menschlich, dass ich mich ihnen als Leser sehr nah gefühlt habe – obwohl ich eigentlich so gar nichts mit ihnen verbinde. Victor ist ein Familienvater, der durch Einbrüche seinen Kick erlebt und diesen immer wieder sucht. Eigentlich will er aber nur ein ruhiges Familienleben mit Frau und Kind führen – vor allem nach seinem Gefängnisaufenthalt. Georg ist Erbe eines milliardenschweren Schlachtereibetriebs, verachtet dieses Business aber eigentlich. Auch der Wechsel in die Kunst brachte ihm keine Befriedigung: Den Kunstbetrieb findet er ebenso grauenvoll. Das macht Georg sehr unzufrieden, gelangweilt und dadurch leichtsinnig und realitätsfern.

Buchtipp zu "Auster und Klinge"

Ein unmoralischer Deal als Schlüssel der Handlung

Der Deal, den die beiden eingehen, ist für Victor die große Chance sein Leben zu sortieren und in geregelte Bahnen zu lenken – jedoch abermals aufgebaut auf Unmoral und Lügen. Für Georg scheint er quasi eine Notwendigkeit zu sein. Seine Kritik am Konsum, an der Gesellschaft, daran, dass wir die Augen verschließen vor Unmoral und Ausbeutung, muss raus. Die Unzufriedenheit, die Langeweile suchen ein Ventil. Niemals hat ihm jemals wirkliche Grenzen aufgezeigt, demnach ist auch unmoralisches Handeln keine Grenze für ihn. Er provoziert auf voller Linie und reitet dabei Victor immer weiter mit rein, der aber definitiv auch nicht unschuldig an allem ist. Das alles steigert sich immer weiter bis zum großen Finale am Ende, das wunderbar zur Handlung passt und das Buch auf die richtige Art und Weise abschließt – auch wenn es mich dann doch irgendwie überrascht hat.

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Ein ungewöhnlicher Roman, auf den man sich einlassen muss

Auch insgesamt hat “Auster und Klinge” auf jeden Fall überrascht. Die Autorin versteht ihr Handwerk sehr gut. Die Handlung konnte mich packen, obwohl ich eigentlich keine großen Anknüpfungspunkte dafür habe. Die Figuren gehen tief, sind wirkliche Charaktere. Man fühlt sich ihnen sehr nah, auch wenn man ihre Entscheidungen und Handlungen nicht immer nachvollziehen kann. Man muss sich einlassen auf diesen Roman, offen sein für Bücher, die man so noch nicht gelesen hat, die man nicht vergleichen kann mit anderen, die speziell sind. Ich habe in dem Roman so eine wunderbare Lektüre gefunden.

Wer noch intensiver einsteigen möchte in den Roman, dem sei die Diskussion zum Mitreden und / oder Nachlesen auf LovelyBooks sehr ans Herz gelegt!