Erst wollte ich nur ein Buch aus dem neuen Ullstein-Imprint Ullstein Fünf lesen. Dann zwei. Und plötzlich alle. Und dann hatte ich tatsächlich alle vier Bücher des ersten Programms gelesen. Meine ersten Eindrücke und kurze Meinungen zu den Büchern (inkl. mindestens einer absoluten Empfehlung!) gibt es hier:
Das Konzept hinter Ullstein Fünf
Auf der Website kann man die Philosophie des Imprints Ullstein Fünf nachlesen: Ullstein möchte mit dem Programm an die Anfänge des Verlags anknüpfen. Es wird auf Teamarbeit gesetzt, auf individuelle Talente im Verlagsteam und auf deutschsprachige Autoren. Überhaupt sind die Autoren für mein Verständnis konsequent stark im Fokus – obwohl sie bislang keine Bestsellerautoren oder berühmten Persönlichkeiten sind. Hier im Video sprechen die Menschen hinter Ullstein Fünf über das Projekt.
Die Cover des ersten Programms
Ja, Cover sind nicht alles, ich weiß. Aber sind wir mal ehrlich: Ein gutes Cover verkauft auch ein schlechtes Buch. Ich habe nicht nur einmal in meiner Buchkauf-Karriere ein Buch wegen des Covers gekauft und das wird auch definitiv noch das eine oder andere Mal passieren. Das erste Ullstein Fünf Programm hat mich sicherlich auch wegen der auffälligen, grafischen und in meinen Augen überaus gelungenen Cover angesprochen und deswegen widme ich den Covern auch diesen Absatz. Alle vier passen einfach hervorragend zum Inhalt und was ich ja immer bei der Covergestaltung besonders gut finde: Sie trauen sich was, fallen ins Auge und heben sich ab von der Masse. Daumen hoch dafür!
Die Titel des ersten Programms
Ada Dorian wanderte recht schnell in mein Bücherregal, Felix Lobrecht wollte ich eigentlich auslassen, das Buch war dann aber doch ein Spontankauf in der Buchhandlung um die Ecke. Niah Finnik und Svenja Gräfen konnte ich auf der Leipziger Buchmesse noch kurz vor Messeschluss und noch zwei Wochen vor dem Erscheinungstermin Anfang April ergattern. Und bei allen galt: Kaum daheim, schon gelesen!
„Betrunkene Bäume“ von Ada Dorian
erschien als erster Titel des Programms im Februar 2017, 2016 las die Autorin auf Einladung von Hildegard E. Keller schon beim Bachmann-Preis. Erwartet habe ich wohl auch deshalb eine sehr literarische Geschichte, eine wirklich anspruchsvolle Lektüre, die sich womöglich nicht mal eben schnell auf der Couch wegliest. Doch „Betrunkene Bäume“ hat sich als die richtige Mischung aus literarischem Anspruch, gekonnt eingesetzter Sprache und guter Unterhaltung herausgestellt. Die Geschichte überzeugt durch zwei starke Charaktere, die in einer leisen Geschichte verwebt werden: So weit sie auch voneinander entfernt scheinen, so sehr sind sie doch miteinander verbunden.
Eine Geschichte, die nicht zu viel versucht und so doch leicht, aber genussvoll zu lesen ist.
„Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht
ist, um ehrlich zu sein, kein Buch von meiner Wunschliste gewesen, sondern ein Spontankauf in der Buchhandlung. Felix Lobrecht sagte mir gar nichts (Poetry Slammer und aufstrebender Jung-Comedian) und das Setting, die Story haben mich nicht unbedingt angesprochen. (Hier hat das Cover sicherlich seinen Teil zur Kaufentscheidung beigetragen.) Zu Beginn war die Sprache für mich auch wirklich gewöhnungsbedürftig. Entweder liest man Berlinerischen Dialekt oder die absolut politisch unkorrekte Umgangssprache aus dem Neuköllner Ghetto, wie er selbst so schön sagt, was beides nicht meine Welt ist. Umso interessanter war es für mich dann, für 220 Seiten mal in eben diese Szenerie zu schlüpfen und mich von Felix Lobrecht in die Betonpaläste von Berlin-Gropiusstadt entführen zu lassen. Und wenn man dann mal drin ist in der Story und der Sprache, entdeckt man sehr, sehr viel Humor und Charme im Text, den der Autor selbst übrigens auch live mitbringt.
Sicher nichts für jeden und auch für mich nicht zukünftige Standardlektüre, aber: Es tat gut, mal etwas anderes zu lesen, das so humorvoll, aber irgendwie doch auch traurig ist. Experiment geglückt!
„Das Rauschen in unseren Köpfen“ von Svenja Gräfen
hingegen hatte ich von Anfang an auf dem Schirm. Mit außergewöhnlichen, leisen und literarischen Liebesgeschichten kriegt man mich sowieso meistens, da war es klar, dass ich auch dieses Erstlingswerk lesen muss. Zuerst startet das Buch sehr ruhig und klar: Das Kennenlernen von Hendrik und Lene wird erzählt, die klassische Lovestory im hipsterigen Berlin nimmt ihren Lauf. Doch von Kapitel zu Kapitel werden nicht nur Hendriks vorangegangene Erlebnisse und Probleme enthüllt, die Personen entwickeln sich und die Geschichte steigert sich auch sprachlich immer mehr. Im letzten Kapitel vor dem Epilog schließlich war es dann soweit, dass ich mir die Seiten am liebsten komplett mit Textmarker angestrichen oder zumindest kopiert und gerahmt hätte.
Genau meine Sprache, genau meinen Nerv getroffen. Bäm! Bitte mehr davon!
„Fuchsteufelsstill“ von Niah Finnik
klingt für mich allein wegen des Titels nach einem kleinen Sprachwunder, nach Spiel mit der Sprache, nach Poesie. Die Erwartungen waren demnach entsprechend hoch, doch die Erwartungen wurden sogar übertroffen. Ich habe so viele Stellen markiert, wie schon lange in keinem Buch mehr. Am liebsten würde ich alle hier anführen, aber lest das Buch lieber selbst. Neben der Sprache überzeugt nämlich auch die Geschichte und vor allem die Hauptperson Juli. Aus ihrer ganz besonderen Perspektive nimmt sie die Leser mit in ihre Welt, in der alles blau und rational erklärbar wäre, könnte sie selbst darüber bestimmen. Geht aber leider nicht. Ich habe mich trotzdem – oder gerade deswegen – ein bisschen in Juli verliebt. Achtung, Zitat:
Liebe war fürchterlich schwer zu verstehen, ich liebte Apfelkuchen, doch er liebte mich nicht. Er lehnt mich auch nicht ab, er tat gar nichts, weil er ein Apfelkuchen war. Bei Menschen war das ganz anders, sie konnten etwas zurückgeben, gleichzeitig machte sie das auch gefährlich. Jeder durfte beurteilen, was gleichzeitig auch bedeutete, dass auch jeder beurteilt wurde. Das war die Angst, bewertet zu werden, und das war das Blöde an der Freiheit. („Fuchsteufelsstill“, S. 195)
Viel mehr möchte und muss ich eigentlich gar nicht sagen. Außer: Lest dieses Buch – auch wenn euch Wurfschatten von Simone Lappert gefallen hat.
Mein Fazit zum ersten Programm von Ullstein Fünf
Alle Bücher aus dem Verlagsprogramm von Ullstein Fünf stehen für sich. Sie haben eine eigene Persönlichkeit und dürfen diese auch ausleben. Sollen sie sogar. Sie sind nicht miteinander vergleichbar und sie können nicht über einen Kamm geschoren werden. Sie treffen mit Sicherheit nicht jeden Geschmack. Aber sie bringen frischen Wind in die Bude, sind nicht nur optisch durchaus mal was anderes. „Das Rauschen in unseren Köpfen“ und vor allem „Fuchsteufelsstill“ (!!) haben mich begeistert und sind absolute Buchtipps irgendwo zwischen Unterhaltung und Literatur. Deshalb: Ich lese weiter.
Ausblick: Das Herbstprogramm 2017 von Ullstein Fünf
Mittlerweile findet man auf der Website des Verlagsimprints auch die Titel des zweiten Programms. Wie schon im Frühjahr werden es wieder vier Bücher sein, die den Weg in die Buchhandlungen finden. „Schwimmen“ von Sina Pousset und „Phantome“ von Robert Prosser erscheinen im September, „Durch alle Zeiten“ von Helga Hammer und „Schlick“ von Ada Dorian kommen im Oktober. Die Cover wirken auf mich erst einmal sanfter und filigraner, leiser als das erste Programm und auch weniger plakativ. Ich bin gespannt, ob sich dieser Eindruck in den Geschichten bewahrheitet und welche der Bücher in meinem Bücherregal ein neues Zuhause finden werden. Auf der Wunschliste stehen sie tatsächlich erst einmal (fast) alle.