Vier Monate lang habe ich keine deutsche Buchhandlung mehr betreten, vier Monate lang standen meine Bücher tausende Kilometer entfernt von mir im Bücherregal. Bei ein paar von ihnen tat es besonders weh, sie zurückzulassen. Ein paar habe ich nämlich erst wenige Wochen oder Tage vor meinem Abflug gekauft und einfach keine Zeit mehr gefunden, den Buchdeckel aufzuklappen und in den Seiten zu versinken. Hinzu kam, dass einige Bücher von meinem Wunschzettel während meiner Abwesenheit ihren Weg in mein von mir verwaistes Bücherregal gefunden haben – Bücher, die ich schon letztes Jahr so gern hätte lesen wollen. Drei Wochen nach meiner Rückkehr habe ich jetzt schon einiges nachgeholt, nachgelesen, was viel zu lange ruhen musste. Drei der Bücher möchte ich hier in aller Kürze vorstellen.
“Was man von hier aus sehen kann” von Mariana Leky
Im Sommer 2017 begann der Rummel rund um Mariana Leky und das Okapi, das in Windeseile die Leserherzen eroberte. Ich selbst war lange skeptisch, ob ich es lesen mag, all den guten Besprechungen konnte ich dann aber doch nicht widerstehen.
Das Buch liest sich sehr leicht und flüssig, ich bin förmlich durch die Seiten geflogen. Man muss Selma und Luise einfach ins Herz schließen (allein schon, weil sie heißen, wie sie heißen) und auch die anderen Figuren haben Herz und Seele. Dass dieses Buch auf den Bestsellerlisten so lange so weit oben steht, macht für mich also absolut Sinn. Gute Unterhaltung mit Niveau, eine Geschichte, die ans Herz geht, voller Spaß und guter Laune, aber auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit, die verhindert, dass das Buch zu platter Unterhaltung wird. Für das magische, das absolut Besondere, den letzten Funken hat jedoch für mein Leserherz eine klitzekleine Kleinigkeit gefehlt.
“Schwimmen” von Sina Pousset
Das erste Programm von Ullstein Fünf habe ich noch komplett gelesen, für das zweite fehlte mir bereits die Zeit. Jetzt erscheint im Frühjahr schon das dritte Programm. Nachgelesen habe ich erst einmal den Debütroman von Sina Pousset, der im September 2017 erschienen ist. („Phantome“ von Robert Prosser habe ich bereits letztes Jahr rezensiert.)
Grob umrissen geht es in “Schwimmen” um Milla, deren bester Freund ums Leben kam. Jahre später setzt sie sich damit wieder auseinander und der Leser erfährt Stück für Stück, was an jenem Tag am Meer geschehen ist. Die erste Hälfte des Romans war ganz nett – nicht mehr und nicht weniger. Ich war schon kurz davor enttäuscht zu sein, als die Geschichte Fahrt aufnahm, ich das Gefühl hatte, dass man nun wirklich zum Kern der Tragödie vordringt. Die zweite Hälfte und die nicht zu positive und kitschige Auflösung am Ende, gepaart mit dem Schreibstil von Sina Pousset, haben mich zum Fazit “Lesenswert!” kommen lassen. Nicht zuletzt wegen dem Meer.
Dieser Roman war der letzte, den ich mir wirklich wenige Tage vor meinem Abflug gekauft habe. Ich wusste eigentlich schon, dass ich es nicht schaffen werde, ihn zu lesen. Marina hatte ihn aber so eindringlich besprochen, also war „Kukolka“ nach meiner Rückkehr eines der ersten Bücher, die ich zur Hand genommen habe.
Eine besonders angenehme Lektüre ist „Kukolka“ nicht. Es geht um ein zu Beginn 7-jähriges Mädchen, Samira, das in der Ukraine in einem Waisenhaus aufwächst. Mit einer gehörigen Portion kindlicher Naivität – auch als Teenager – gerät sie von einer Hölle in die nächste. Drogen, Diebstahl, Betteln, Menschenhandel, Prostitution – Samira erlebt alles und erduldet alles mithilfe ihres Traumes, in Deutschland zu leben. Sehr deutlich, direkt und schonungslos beschreibt Lana Lux das Elend und die Armut. Ich habe es in einem Tag durchgelesen, denn diese harte Geschichte fesselt – auch wenn sie mir dann zu abrupt endet. Leseempfehlung!
Fertig bin ich noch lange nicht mit all den Büchern, die noch auf mich warten, mit den Buchhandlungsbesuchen, die nachgeholt werden möchten. Aber so langsam fühle ich mich wieder heimisch zwischen den Neuerscheinungen. So langsam kenne ich die Bücher wieder, die auf den Büchertischen liegen. Was ich jedoch gerade sehr genieße: das Entdecken und Stöbern, die Überraschung, wenn man ein noch nie vorher gesehenes Buch in Händen hält. Mal sehen, wie lange es anhält.